Wissen wollen

Ich dachte, Recherche sei etwas, das man nebenbei macht. Ein bisschen lesen, ein paar Notizen, einige Dateien.
Verstehen, was man verstehen muss – und dann weiterschreiben.

Aber das hier ist anders.

Ich recherchiere längst nicht mehr für einen Ansatz oder ein Detail. Sondern für ein ganzes System. Und je länger ich das tue, desto klarer wird mir:
Ich schreibe keine Geschichte mehr über White Collar Crime. Ich schreibe inmitten davon und irgendwie auch mitten durch.

Ich schaue Dokus, markiere Seiten, führe Listen. Und frage nach – und das immer wieder.
Mehr als sechzig Interviewanfragen haben ich bisher gestellt – an Journalisten, Anwälte, Behörden und Betroffenen. Manche antworten, andere schweigen. Zwischendurch erhalte ich mehr, als ich erwartet habe und einige fragen, ob ich ihre Anonymität wahren kann.

Und ich verstehe immer mehr, wie groß dieses Thema ist. Und wie wenig davon greifbar ist, wenn man nur an der Oberfläche kratzt.

Denn manche Dinge kann ich mir nicht ausdenken. Nicht, weil es mir an Fantasie fehlt – sondern weil sie so absurd, so präzise, so brutal echt sind, dass sie erzählt werden müssen, wie sie waren. Nicht mehr und nicht weniger.

Ich habe nicht gelernt, wie man das macht. Keine Journalistin, keine Recherchetechnik, aber ich bin neugierig – und meine es ernst.
Und vielleicht reicht genau das, um tiefer zu graben, als ich es mir selbst zugetraut hätte.

Es ist viel, manchmal auch zu viel. Ich verliere mich in Paragraphen, in Gerichtsakten, in Aussagen, in Zeilen – die zu viel sagen und manchmal nichts.

Ich schreibe dieses Buch nicht mehr, um Hoffnung zu liefern – sondern Wahrheit.

Und manchmal heißt das:
Keine Auflösung.
Keine Erlösung.
Nur ein leises: Genau so war es.

Und trotzdem glaube ich daran, dass es genau solche Geschichten braucht. Nicht weil sie schön sind, sondern weil sie gesehen werden müssen.


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